Wasserbestattung

Von Tatjana Petzer, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Berlin

Wasserbestattung

Der Film „Die Brücke am Fluss“ mit Clint Eastwood und Maryl Streep brachte 1995 eine der herzergreifendsten Bestattungsszenen auf die Leinwand. Unterhalb der Roseman Bridge im US-Bundesstaat Iowa wird die Asche einer Hausfrau und Mutter gestreut, so wie sie es im Testament verfügt hatte. Damit schließt sich der Kreis zu ihrer kurzen Liebesaffäre, die vor Jahrzehnten an der Brücke begann und von ihr zu Lebzeiten aus gesellschaftlichen Zwängen nicht fortgesetzt werden konnte. Erst nach dem Tod kann sie sich davon befreien, sich ihren Kindern offenbaren und der Hinterlassenschaft ihrer wahren Liebe, der Asche des Mannes, folgen. Was für eine Romantik! 

Wasserbestattung, Alternative zu Friedhof und Erdbestattung

Asche zu Wasser. Alles fließt. In Katmandu am Ufer des Bagmati mit Blick auf den Hindutempel Pashupatinath und die Stufung (Ghat) gegenüber, wo rituelle Feuerbestattungen vorgenommen werden, treffen Asche und Wasser aufeinander. Eine faszinierende Intensität geht von den Bildern und Klängen des Abschiednehmens aus: die Waschung im heiligen Fluss, Gesang und Geläut der Priester im orangenem Gewand, das Aufschichten von Holz (um die 80 kg pro Person), die Aufbahrung des mit Tüchern und Blumengirlanden geschmückten Leichnams, das Öffnen des Kopfes zur Befreiung der Seele, die Verbrennung, das Bad der Angehörigen, das Verstreuen der Asche und Überreste im Fluss, die aus Blumen, Obst und Süßigkeiten bestehenden Opfergaben, abendliche Lichtzeremonien. Kurzum: Es ist ein heiliges Durcheinander der Elemente, die sich im Hier und Jetzt zum Stoffkreislauf des Lebens ordnen. Der Bagmati mündet in den Ganges, dem heiligsten Fluss der Hindus. Wer es sich leisten kann, stirbt am Ganges im nordindischen Varanasi (auch Benares), eine der ältesten durchgehend bewohnten Städte der Erde. Unter den vielen Ghats dieses Pilgerorts ist Manikarnika Ghat die älteste und beliebteste Verbrennungsstätte. Jeder Gläubige hofft, dass die Verbrennung ihn zum Licht führen, dass er also aus dem Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt erlöst werden wird.  

Die traditionelle Bestattungsform der großen monotheistischen Religionen ist dagegen die Erdbestattung. Die Beisetzung auf dem offenen Meer wurde mit der Seefahrt deine akzeptierte Notlösung. Erst seit dem 20. Jahrhundert ist hier die alternative Bestattung zur See gesetzlich möglich, doch in einigen Regionen mit Friedhofspflicht antrags- und erklärungsbedürftig. Flussbestattungen sind in Deutschland verboten, auch die in Seen – aus kulturellen und hygienischen Gründen. Wer also diese Variante der Naturbestattung wählen möchte, muss entweder auf hohe See hinaus oder auf einem meist künstlich angelegten Teich auf dem Gelände eines Friedwalds ausweichen. Davor wird der Körper in einem Sarg eingeäschert, in einer Aschekapsel versiegelt und dann in einer biologisch abbaubaren Urne im Wasser beigesetzt. 

Wer sich für die Beisetzung eines geliebten Menschen nach Seemannsbrauch entscheidet, sollte im besten Fall bootsfest sein und die unkalkulierbare Wetterlage bei der Planung berücksichtigen. Es ist schon vorgekommen, dass bei Wellengang die Trauergäste über der Reling hingen. Wer also zu Seekrankheit neigt, beobachtet die Zeremonie besser vom Ufer aus. Doch im Allgemeinen erleichtern Sonne, Wind und Meer das Abschiednehmen, spenden neue Energie. Manch Bestattungsschiff erweckt den Eindruck eines Ausflugsdampfers – mit vielen Kindern an Bord und einem Kapitän, der Geschichten erzählt. Etwa davon, dass der verstorbene Uropa schon 9 Jahre lang auf dem Kaminsims im Haus am Meer stand, wo sie mit der Uroma den letzten Geburtstag gefeiert haben. Und nun, da sie gestorben ist, können beide noch einmal zusammen in die Ostseewellen eintauchen. Die Kinder blicken staunend auf die Urnen, die ins Wasser gelassen werden und im Licht golden glitzern. An den Uropa können sie sich nicht mehr erinnern. Auf den Wellen schwimmen Blütenblätter und Brotkrümel für die Möwen. Die Schiffsglocke ertönt und auf der Seekarte wird der Ort der Beisetzung markiert – wie auf einer Schatzkarte.