Totlachen

Von Tatjana Petzer, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Berlin

Es gibt viele skurrile Arten zu sterben. Der berühmte französische Dramatiker und Komödiant Molière erlitt in seiner Komödie Der eingebildete Kranke in der Hauptrolle des eingebildeten Kranken einen Blutsturz. Die erheiterten Zuschauer hielten dies für einen glänzenden Theatereffekt. Es war das letzte Lachen, das Molière vor seinem Tod hören sollte. Zu den seltenen Todesarten zählt auch der Lachtod, doch gilt diese Diagnose, die noch im 19. Jahrhundert hin und wieder anzutreffen war, inzwischen als überholt. Zwar können überspitze Reaktionen der Muskeln auf das Absonderliche, Karnevaleske und Urkomische stechende Schmerzen im Zwerchfell, Atemnot und Anfälle begünstigen, Lachen jedoch ist gewiss keine direkte Todesursache. Im Gegenteil ist das natürliche Lachen für die psychophysische Gesundheit des Menschen äußerst wichtig. Es darf viel und auch grundlos gelacht werden, finden die Initiatoren der Lachyoga-Bewegung, die das ansteckende Lachen verbindet.

Doch die Volksweisheit spricht aus gutem Grund nicht vom Gesundlachen, sondern eben vom Krank- oder Totlachen. Es gilt Maß zu halten beim Anspannen der Lachmuskeln. Vorsicht mit makabren Späßen, insbesondere bei diagnostizierter Affekt-Inkontinenz! Denn in diesem Fall kann sich ein Schmunzeln schnell in todbringende Lachkrämpfe steigern, die Atemstillstand oder Herzversagen auslösen. Darüber hinaus gibt es Pathologien, die krankhaftes Lachen hervorrufen und auch ansteckend sein können. Ein Präzedenzfall der Medizingeschichte ist die Kuru genannte Hirnerkrankung, die unter dem indigenen Volk der Fore aus dem Hochland Papua-Neuguineas im letzten Jahrhundert eine Epidemie auslöste. Sie bewirkte symptomatisches Zittern, unnatürliches Lachen und den Tod und wurde daher auch Lachkrankheit genannt. Übertragen wurde diese beim rituellen Verzehr verstorbener Stammesangehöriger. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war dieses kannibalistische Ritual vollkommener Ausdruck von Respekt und Trauer für den Verstorben – eine Art Bestattung im eigenen Körper. Betroffen von der Lachkrankheit waren insbesondere Frauen und Kinder, da diese ausschließlich das hochinfiziöse Gehirn zugeteilt bekamen. Fünf Jahrzehnte nach Verbot dieser Praxis entdeckten Mediziner bei Überlebenden der Kuru-Epidemie ein mutiertes Gen, dass sie gegen die Degeneration des Gehirns durch die von sogenannten Prionen, abnormal gefalteten Proteinen, immunisiert, die lawinenartige Fehlfaltungen und so die Umwandlung des Gehirns in eine schwammige Struktur auslösen. Das genetische Erbe von Kannibalen wurde so zum hoffnungsvollen Anhaltspunkt in der Heilmittelforschung für ähnliche neurogenerative Erkrankungen, die wie etwa nach Verzehr eines fein filetierten Stück Rinderwahns – mit anderen Worten: bei einer BSE-Infektion – unausweichlich tödlich enden. 

Der Tod lauert überall. Dem würdevollen Ruf des geheimnisvollen Sensenmanns hat die abgeklärte Haltung der Medizin keinen Abbruch getan. Neuerdings präsentiert sich Luzifer im amerikanischen Fernsehen als Nachtclubbesitzer und Kriminalberater auf Erden, der letzten Endes seine Berufung als Seelenklempner der Hölle erkennt. Und auf deutschen Bühnen ist der Tod in schwarzer Kutte mit engelsgleicher Stimme und Sense to go auf Imagekampagne und zeitgemäß in den sozialen Medien für seine Fans unterwegs. Welch Komödiant! Ob selbsternannt oder berufen vom Wahren, er meint es ernst mit seinem Slogan: „Zum Todlachen ist es nie zu spät!“