Gefängnis statt Rolling Stones

Bestattungen sind auch Zeitreisen im Spiegel des eigenen Lebens. Angelika Mann rief mich an, ihr Bruder war in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Schallplatten von Reinhard Lakomy und Angelika Mann liefen während meiner Kindheit rauf und runter. Sofort hatte ich Melodien im Ohr, Texte, herzergreifend und komisch. Eckart Mann sollte im Friedwald bestattet werden, so Ihr Wunsch. Mit 16 wurde Eckart zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, da er sich mit vielen anderen Jugendlichen am 7. Oktober 1969 in der Leipziger Strasse versammelte, um ein Konzert zu verfolgen, dass die Rolling Stones vom Dach des West-Berliner Axel-Springer-Hochhauses ihren Fans im Osten geben wollten. Tausende, so auch Eckhart, waren diesem Gerücht gefolgt, um die Rolling Stones spielen zu hören, ohne politisches Kalkül, der Musik zugewandt. Nach zwei Jahren Jugendhaft wurde Eckart durch die BRD freigekauft. 

Blick nach drüben

Im Juni 1988, ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer, war ich mit Freunden verabredet, als Michael Jackson ein Konzert in West-Berlin am Platz der Republik gab. Tausende Menschen waren zur Allee unter den Linden unterwegs. Wir befanden uns bereits inmitten von Absperrungen der Staatssicherheit vor dem Brandenburger Tor, erwarteten euphorisch den Beginn des Konzerts und blickten besorgt auf den Ausgang der Situation, die sich entspannte, denn die politische Wende war durch Perestroika längst eingeläutet.Auch wenn Eckart Mann das Urbane liebte, jeden Pflasterstein West-Berlins kannte, ist seine letzte Ruhestätte, ohne Mauern und vorgegebene Wege, eine Geste der Befreiung. Als Zeugnisse jener Ereignisse, überreichte Roland Jahn allen Trauergästen nach der Beisetzungszeremonie im Friedwald eine Sammlung von Dokumenten aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv, eine Veröffentlichung mit dem Titel “Gefängnis statt Rolling Stones”, herausgegeben vomBStU.